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Beobachtungen einer Jungjägerin

beobachtungen einer jungjägerin
Ein Artikel aus Ausgabe 6

Wussten Sie, dass der Mensch fünf Jahre seines Lebens mit warten zubringt? Warten auf den Bus, im Wartezimmer, in Warteschleifen, im Stau, an der Einkaufsschlange. Ich bezweifele allerdings die Richtigkeit dieser These. Zumindest vermute ich, dass das Warten am Ansitz nicht in diese Statistik mit eingeflossen ist. Ansonsten würde der Mensch sicherlich siebzehn Jahre seines Lebens mit Warten verbringen. Mindestens!

Eigentlich ist Warten ja schon längst aus der Mode gekommen. Zumindest im schnöden Alltag. Warten ist für den gewöhnlichen Mitteleuropäer des 21. Jahrhunderts Freiheitsberaubung, Fremdbestimmung. Folter. Warten ist etwas für Loser, für Bestellte und Nichtabgeholte. Nichts für Siegertypen, Alphatiere, Oberschnelle und all die hyperaktiven Vertreter der Vita Activa. Warten macht aggressiv. Nervös. Wütend. Warten macht hässlich.

Ich indes warte eigentlich ganz gerne. Ausdauernd und geduldig. Warten hat etwas wunderbar Sehnsuchtsvolles und Romantisches.

Am liebsten wartete ich auf „Godot“.

Und was soll ich sagen?

Ein einziges Mal sah ich ihn. Ende August war das. Eine einmalige Begegnung. Danach sah ich ihn nie wieder.

Wem auch immer ich erzähle – und ich erzähle es vornehmlich Jägern –, dass ich „Godot“ erblickte, der fragt mich, ob ich ihn denn erlegt hätte, meinen ersten Bock. (Dass ich einen Rehbock sah, erzähle ich deswegen nur noch Jägern, weil mich Nicht-Jäger stets etwas irritiert anschauen, wenn ich mit leuchtenden Augen berichte, im Wald einen Rehbock gesehen zu haben. „Aha. Du hast ein Reh gesehen. Is’ ja doll.“ – Wissen Sie, ich fühle mich da etwas unverstanden.)

Nein, ich habe ihn nicht erlegt.

Und nein, es lag nicht daran, dass ich kein freies Schussfeld hatte oder keinen Kugelfang. Auch lag es nicht daran, dass das Wild schlecht stand. O...

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