In der Fachzeitschrift „Naturschutz und Landschaftsplanung“ erläutern Forschende der Hochschulen Geisenheim und Freiburg, dass sich die Ausbreitung des Wolfs negativ auf rechtlich verbindliche Naturschutzziele auswirken könnte. Die notwendige jagdliche Entnahme ist deshalb naturschutzfachlich geboten.
Die Art selbst bedeutet zunächst eine Ergänzung der heimischen Fauna. Das Team analysiert, welche Konsequenzen die rasch wachsende Wolfspopulation, die damit einhergehenden zunehmenden Nutztierrisse und die dadurch entstehenden Herdenschutzerfordernisse in Deutschland für den Biodiversitätsschutz haben werden. „Es droht eine partielle Aufgabe der Weidewirtschaft gerade auf naturschutzfachlich essenziellen Standorten“, erklärt Nicolas Schoof von der Uni Freiburg. Betroffen könnten zum Beispiel Heiden oder Grünland in Steillagen und auf steinigen Böden sein. Diese Lebensräume stehen – wie der Wolf auch – im Fokus des rechtsverbindlichen Naturschutzes und sind zwingend auf die Fortführung der Beweidung angewiesen. Anders als der Wolf sind diese Lebensräume jedoch in ihrem Bestand bedroht.
Die in Deutschland wieder vorkommenden Wölfe gehören zur mitteleuropäischen Flachlandpopulation. Diese ist nicht isoliert. Neuere genetische Untersuchungen zeigen, dass sie zumindest im Austausch mit der baltischen Wolfspopulation steht. Deshalb existiert auch nur ein geringes Inzuchtrisiko.
„Damit stehen gemäß europäischer Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gleichrangige Schutzgüter miteinander in Konflikt, nämlich der Wolf einerseits und selten gewordene Grünlandbiotope andererseits“, erklärt Prof. Dr. Eckhard Jedicke. „Wir erfahren immer wieder, dass die Bäuerinnen und Bauern, die die europäisch bedeutsamsten Kulturbiotope bewirtschaften, ökonomisch kaum mehr weiterwissen“, sagt er. Der Wolf verschärfe ihre Situation.
In vielen Fällen kann der Herdenschutz durch hohe Zäune verbessert werden. In steilen Gebirgslagen ist das aber beispielsweise nicht umsetzbar. Abhängig von der Größe und Beschaffenheit der Weiden könnten Herdenschutzhunde eingeführt werden. Das sei jedoch eine ausgesprochen arbeits- und kostenintensive Option, die nur für wenige Tierhaltende infrage komme. Vor allem in halboffenen Weidelandschaften, die ein essenzieller Baustein des Biodiversitätsschutzes sind, können Herdenschutzhunde nicht effektiv eingesetzt werden. Da aber gerade auf diesen Flächen die Probleme durch Wölfe ansteigen können, seien nur feststehende, wolfabweisende Zäune eine Lösung. Diese beschränken aber großflächige Weideprojekte in ihrer Raumwirkung. Sie stellen außerdem eine massive Einschränkung anderer Wildtiere dar, die auf Weiden einen optimalen Lebensraum finden.
Für die Wissenschaftler besteht aufgrund dieser Konflikte kein Zweifel: Die ordnungsrechtlich mögliche jagdliche Entnahme problematischer Einzeltiere muss wesentlich vereinfacht und stringent durchgeführt werden. Ein umfassendes aktives Management der Wolfspopulation ist erforderlich. Die dafür notwendigen ordnungsrechtlichen Änderungen müssen ergriffen werden. Die Wolfspopulation sei aufgrund der erreichten Individuenzahlen, des eher geringen Inzuchtrisikos und des aktuell exponentiellen Populationswachstums nicht gefährdet, argumentieren die Forscher.
rdb
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