Der Gedanke, die erste Maiwoche nicht im eigenen Revier zu verbringen, ist ungewohnt. Schließlich gilt der Aufgang der Bockjagd – bei mir in Bayern ist die Welt mit dem altmodischen 1. Mai noch in Ordnung – vielen als tatsächlicher Startschuss ins neue Jagdjahr. Andererseits tut es immer gut, Neues zu wagen, und wenn eins sicher ist, dann die Erkenntnis, dass Reisen auf den Balkan nur selten enttäuschen.
Text & Fotos Felix Wilmes
Unser Vier-Tages-Trip führt uns ins Herz Siebenbürgens, in das Reich von Vlad dem Pfähler, in den schönen Landkreis Bihor in Rumänien. Ein anerkanntes Top-Ziel für notorische Rehkronenfanatiker. 400 Gramm-, 500 Gramm-, 600 Gramm Gehörngewicht und mehr. Alles scheint möglich, doch nichts ist sicher. Denn wie immer im Leben gibt es keine Garantie. Auch im Westen Rumäniens, an der Grenze zu Ungarn, leben Kümmerer und junge Böcke und solche die falsch angesprochen werden und die enormen Erwartungen wieder in geordnete Bahnen lenken. Aber wenn man wirkliches norok hat, echtes, rumänisches Glück, dann besteht die Chance auf einen Bock von mindestens fünf Jahren, mit mächtigen Rosen, abnorm-wilder Perlung, starken Stangen und einem Schädel, der die Schädelmaße germanischer Böcke um solide zwanzig Prozent übersteigt.
Aus einem weiß-verschneiten München liest sich die Wettervorhersage wie glatter Betrug: 25 C° Temperatur, strahlender Sonnenschein und ein Himmel so blau wie das erste Drittel der rumänischen Landesflagge. Dank Kontinentalklima ist die Natur ihrer Zeit drei Wochen voraus. Bei Ankunft im sommerlich-warmen Cluj, – vom Charme her vergleichbar mit einer Rostocker Plattenbausiedlung – werden wir von unserem Gastgeber persönlich empfangen. Knappe drei Stunden dauert die Fahrt gen Westen, ins Umland von Marghita, dem früh...