Bei meinem zweiten Einsatz als Bogenjagd-Guide in Grönland war ich in einem neuen Revier am Polarkreis, in dem es bisher noch keine Trophäenjagd gegeben hat. Dieses ist so entlegen, dass wir mit dem Hubschrauber einfliegen mussten. Fast einen ganzen Monat verbrachte ich dort in einem Zeltcamp unter der Mitternachtssonne und führte Jäger mit Pfeil und Bogen auf urige Moschusochsen. Jeder Tag war eine einzigartige Erfahrung. Hier alles zu schildern würde aber den Rahmen sprengen, sodass ich mich auf die Highlights konzentriere.
Text: Christian Heinz
Fotos: Christian Heinz, Archiv
Der riesige Bulle hatte keine Ahnung, dass wir gerade hinter ihm aus dem Wasser stiegen, um ihn zu töten. Ich war total fokussiert, taxierte jede Bewegung seiner Flanke, die sich regelmäßig durch die Arbeit der Lungen hob und senkte. Jede unnatürliche Bewegung des schlafenden Riesen würde bei mir sofort einen wohlüberlegten Ablaufplan auslösen, den ich mir still immer wieder vorsagte: „Bogen spannen lassen, Entfernung ansagen, Schuss freigeben. Wenn der Bulle kommt, einen entschlossenen Schritt vor den Gast und Waffe an die Schulter, dem Bullen einen Ausweg lassen, zurück in den Fluss.“ Direkt hinter mir kam Christian, ein knapp 18-jähriger amerikanischer Jagdgast, in Zeitlupe mit seinem Jagdbogen aus den Fluten. Meine Entfernungsmessung ergab 18 Yards bis zum Bullen. Nun begann ich, den alten Moschusochsen, dem Ufer folgend, ganz langsam zu umgehen. Mit Christian, der direkt an meiner rechten Seite stand, hatte ich nochmals Blickkontakt. Er wirkte ruhig, konzentriert. Insgeheim bewunderte ich den Teenager für seine jugendliche Gelassenheit – Respekt! Mit einer zeitlupenhaften Handbewegung lotste ...