Steinböcke sind faszinierende Geschöpfe. Sie besiedeln mit spielerischer Eleganz die höchsten Gipfel unserer Erde, strafen die Gravitation scheinbar Lügen, wenn sie über die höchsten Felszinnen hinwegsetzen. Sie trotzen der feindlichen Umgebung der höchsten Berggipfel weltweit ihren Lebensraum ab. Überall wo sie vorkommen, haben die Menschen sie verehrt, mystifiziert, sie in ihre Kultur eingebunden. Und bejagt! Die seltenste, noch vor wenigen Jahren vom Aussterben bedrohte Unterart, ist der Walia. Unser Autor hat ein einmaliges Dokument einer Wildart im Aufwind erstellt.
Text und Fotos: Ludwig Siege
Der Walia oder abessinische Steinbock ist eng verwandt mit dem europäischen und asiatischen Steinbock. Sein Name „Walia“ entstammt der Sprache des nördlichen Hochlandes Äthiopiens, dem Amharischen. Die Walia sind Tiere des Hochgebirges, speziell des Simien-Massivs. Nur dort kamen und kommen sie auch heute noch vor.
Es gibt heutzutage selteneres afrikanisches Wild als den Walia, zum Beispiel die Riesenrappenantilope, das Nördliche Weiße Rhinozeros und die Beira-Antilope von Nord-Somalia. Diese sind erst in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten unter Druck geraten, in allen Fällen durch Bürgerkriege und zivile Unruhen.
Kein Wild hat jedoch ein kleineres und spektakuläreres Verbreitungsgebiet als der Walia-Ibex. Kein afrikanisches Wild ist seit seinem Bekanntwerden in kleineren Beständen zu finden und keine Trophäe hat seitdem die Phantasie der Jäger so beflügelt wie die der Walias.
Der Lebensraum der Walias sind die vertikalen Felswände des nördlichen Abbruchs des Simien-Massivs. In über viertausend Meter Höhe findet man auf dem Hochplateau eine Vegetation von Riesenlobelien, Baum-Erika und verschiedenen Gräsern und Büschen...