Expeditionen 1976 und 1978
Text und Fotos: Herwig Zahorka
Das Blasrohr ist die ideale Waffe für die Jagd im dichten tropischen Regenwald. Der Schuss ist fast lautlos und die gefährliche Giftladung des Pfeiles wirkt tödlich, gleichgültig welcher Körperteil des Tieres getroffen wird. Bis tief ins 20. Jahrhundert hinein wurde diese gefährliche Waffe von den Bewohnern des tropischen Urwaldes auch bei der Kopfjagd benutzt. Urwaldjagd mit Blasrohr und Giftpfeilen im tropischen Dschungel der riesigen Äquatorinsel Borneo (indonesisch „Kalimantan“) war einer meiner Jugendträume. Der alte Carl Bock hatte mich mit seinem Buch „Unter den Kannibalen auf Borneo“ hierzu inspiriert.
Das hier ist kein Traum. Es ist schwülheiße, schweißtreibende Realität im unberührten Dipterocarpaceen-Tieflands-Urwald des Mangkalihat-Gebietes im Südosten Borneos, 35° C und 80 % relative Luftfeuchte bei tiefer Dämmerung um 18.30 Uhr. Mehr tropische Hölle als tropisches Paradies. Fast schlagartig beginnt jetzt der zirpende, orchesterstarke Rauschpegel der Millionen Grillen oder Singzikaden (Membracidae).
Die Lautsignale werden mit den Flügeln erzeugt, indem die Zähnchenleiste des einen Flügels gegen die Kante des anderen gestrichen wird. Ein richtiges Streichinstrument wird hier polyphon gespielt. Die Hörorgane der Grillen sitzen an den Vorderbeinen und sind an einem silbrig glänzenden Trommelfell zu erkennen.
Die Dämmerung in Äquatornähe ist kurz. Eine Fledermaus gaukelt herum – nein, es ist ein riesiger Nachtschmetterling, Gattung Ornithoptera, mit einer Flügelspannweite von 40 Zentimetern. Im Nu ist es stockdunkel. Tags ist der Urwald wie ausgest...